Kraft und Magie

Licht / Kraft

Klaus von Gaffron - Licht / Kraft
 
Markus Wimmer

In der romanischen Vorhalle der Stiftkirche installiert Klaus von Gaffron vier großformatige Leuchtkästen. Sie bilden ein neues kreuzförmiges Ensemble mit der hoch an der Wand hängenden Michaelskulptur. Durch das blaue Licht der schimmernden Leuchtkästen verwandelt sich der Raum. Das Bildmotiv greift von der Fläche auf die dunkle Halle über. Schon von draußen wird der Betrachter durch das große Tor von blauem Licht angezogen. Die so entstandene Neuorientierung des Raumes bewirkt eine veränderte Aufmerksamkeit, macht sensibel für die Poesie, die Geschichte dieses alten Ortes.

Hier im Westen ist ikonografisch der Ort des jüngsten Gerichts, hier widerstehen die christlichen Heerscharen den bösen Mächten, Michaels- und Georgskapellen sind keine Seltenheit. Das Portal in die Stiftkirche markiert jenen Ort, an welchem die Botschaft der Kirche zusammengefasst den Eintretenden läutern empfängt, es zeigt die Schwelle von der Dieseitigen zur Jenseitigen Welt an.

Klaus von Gaffrons Fotografien begeben sich konzeptionell in die Energie des Dazwischen, der Nochnicht oder Nichtmehr. Sie verbergen mehr als sie enthüllen. Davor und Danach verschwimmen in der Unschärfe des Moments ohne je beliebig zu werden. Sie erzählen von Erscheinungen, welche vertraut und doch fremd wirken. In einer Mischung aus fotografischer Malerei und Filsstills abstrahiert Gaffron seine zeichenhaften Gegenstände und Figuren und löst damit den äußeren Mantel des Materiellen auf, schafft Raum für die Energie seiner Wesen, ihren Lichtanteil, ihre innere Bewegung und Bewegtheit. Das Nachtblau wird durchdrungen von diesen Erscheinungen, sie blitzen im Dunkel auf. Blau an sich gilt als die transzendente Farbe, die Farbe des Himmels, des Meeres, der Nacht. Im Blau wechseln die Welten. Der fotografische Prozess von der äußeren Realität zu Gaffrons Leuchtkästen verwandelt Menschen durch Abstraktion in Lichtwesen, Wesen aus einer anderen Welt, Engel?

Dabei geht Gaffron weniger spekulativ, als vielmehr künstlerisch forschend vor. Wenn er seine reale Welt in nächtliche Unschärfe taucht, reissen die banalen Zuordnungen zu den vordergründigen Gegenständen, Individuen, Geschichten und Details ab, eine viel tiefere, weitere und allgemeinere Sichtweise entsteht, wie im Traum oder Rausch. Mit diesem Vorgang birgt er ein Stück Geheimnis unserer Existenz ganz ohne Ikonografie, Ideologie und Theorie, ganz allein mit dem Medium der Fotografie.

Im Foto verschmelzen das räumliche und zeitliche Davor und Dahinter zum JETZT, zu einem jenseits von Entstehen und Vergehen liegenden Zustand, einer "Erscheinungszeit", welche plötzlich auftaucht und hinter den Dingen und Menschen immer da ist, sozusagen ihren energetischen Schatten bzw. ihr wesenhaftes Licht darstellt. Gaffrons Leuchtkästen machen sichtbar und der Betrachter wird sensibel für dieses Phänomen.

In der romanischen Vorhalle der Stiftkirche entsteht ein Meditationsraum über das Wesen des Menschen, seine Stofflichkeit, seine Energie, seine Präsenz und Existenz. Die alten christlichen Bilder und Vorstellungen schreiben sich fort im transitorischen Gebrauch zeitgenössischer Fotografie, eine Technik, welche selbst schon Wesenhaft die Wirkkraft des Lichts thematisiert.